Natürlich ist die Hauptfluchtursache im Falle von Syrien und Irak recht klar zu erkennen (es gibt auch noch andere Fluchtursachen, die aber nicht auf die Mehrzahl der aktuellen Flüchtlinge zutrifft), bloß sehe ich es bei den Ursachen der Ursache differenzierter. Aber darum soll es ja nicht gehen.
Was die Gesamtheit der ankommenden Menschen angeht, so muss man da eher auf den Trend als auf Momentaufnahmen schauen. Letzteres zeigt ja primär "singuläre Ereignisse", die zwar im Falle Syriens zu den großen Problemen und politischen Umwälzungen in Europa geführt hat, auf Afrika übertragen aber nicht das größte Problem darstellt. Natürlich gibt es das auch, gerade der islamistische Terror hat die Zahl der Asylanträge aus Nigeria, Mali, Eritrea usw. steigen lassen. Es zeigt sich allerdings auch, dass die afrikanischen Staaten selbst ein kontinentales Bewusstsein entwickeln und es gute Fortschritte dabei gibt, solche Probleme unter dem Mandat der Vereinten Nationen eigenständiger zu lösen. Gleichwohl ist das noch ein langer Weg, der ohne weitere externe Unterstützung vor Ort nicht gelingen kann. Zumal natürlich auch die Netzwerke dahinter ausgeschaltet werden müssen, besonders was die Finanzen angeht. Aber wie gesagt, da liegt in meinen Augen nicht das Hauptproblem.
Denn die größte Herausforderung sind die Trends, die sich nicht aus singulären Ereignissen, sondern aus Dauerzuständen ergeben und sich perspektivisch ausweiten. Rapide wachsende Bevölkerungszahlen, nicht mit den Anforderungen mitgewachsene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (besonders im Bereich der Landwirtschaft sowie der Verarbeitenden Lebensmittelindustrie) und sich daraus ergebene fehlende Perspektiven sorgen für eine gigantische Landflucht. Und das wiederum führt zu immer größer werdenden Problemen in den Städten, vielfältige Probleme, die bei der Versorgung der Bevölkerung beginnen und bei ethnischen Konflikten enden. Die wiederum entstehen, weil eine Integration der verschiedenen Gruppen nicht erfolgt und sich in den Städten (bzw. an den Städten, denn wirklich integriert sind diese Bereiche seltenst) Ghettos bilden, die je nach lokaler Politik gegebenenfalls unterschiedlich behandelt werden. Wobei die politischen Strukturen auf der einen Seite höchst fragil sind, auf der anderen Seite den Anforderungen aber auch schlicht nicht gerecht werden können. Dementsprechend fühlen sich die Menschen mit ihren Problemen im Stich gelassen, was zu einem sehr deutlichen Anstieg von Skeptizismus geführt hat. Ohne funktionierendes System gibt es aber keine Perspektive, und Failed States haben wir ja bereits.
Das wiederum heißt, dass durch diese sich verschärfenden Dauerzustände wiederum neue, singuläre Ereignisse ergeben werden oder diese dadurch gestützt werden. Während ein Großteil der Flüchtlinge zur Zeit noch in anderen Regionen oder Nachbarländern innerhalb Afrikas Schutz sucht, kann die grundsätzliche Perspektivlosigkeit eine regelrechte Völkerwanderung auslösen. Die Globalisierung ist dabei natürlich nicht hilfreich, besonders nicht, wenn sie ein vollkommen falsches Bild vom Leben in der "westlichen Welt" zeichnet.
Auf den afrikanischen Kontinent bezogen ist das eine grob verallgemeinerte Darstellung, in dieser allgemeinen Form aber vielleicht tatsächlich das Hauptproblem, jeweils mit regionalen Ausprägungen und unterschiedlichen Einflussfaktoren. Denn es zeigt sich durchaus, dass die afrikanische Bevölkerung höchst unterschiedliche Einstellungen zum Thema Flucht besitzt, die sich nicht nur auf ethnische oder infrastrukturelle Unterschiede zurückführen lässt. Hier wäre ein Ansatzpunkt, um die Situation zu ändern. Das geht aber nicht im Kolonialstil über die Köpfe hinweg, sondern als Unterstützung mit lokaler Initiative. Und das ist wiederum auch ein Problem. Wobei auch den afrikanischen Staaten ja durchaus bewusst ist, dass sich etwas ändern muss, und teilweise geschieht der Sinneswandel rapide. Äthiopien ist dafür ein gutes Beispiel:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/aethiopien-baut-8000-neue-staedte-a-1188777.html
Was Afrika angeht, so will ich mir nicht anmaßen, hier überhaupt und schon gar nicht in wenigen Worten eine umfassende Aufzählung der Fluchtursachen zusammenstellen zu können. Es ist, wie gesagt, ein sehr komplexes Thema, dass ich nur anskizzieren kann.