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Forscher entdecken die Achillesferse des SARS-Virus
Untersuchungen zeigen die Struktur eines wichtigen Virus-Enzyms - Leichte Änderungen des Säuregrads stoppen die Vermehrung
von Silvia von der Weiden
Peking - Seit Monaten hält die Furcht vor einem erneuten Ausbruch der gefährlichen Lungenkrankheit SARS die Welt in Atem. Betroffen wäre vor allem Ostasien, wo der ansteckende Erreger aus der Familie der Coronaviren seinen Ursprung hat. In China hat nun ein Forscherteam unter Leitung von Zihe Rao von der Tsinghua University in Peking einen Ansatzpunkt für ein Mittel gegen das SARS-Virus entdeckt, wie die Fachzeitschrift "PNAS" in ihrer heutigen Ausgabe berichtet. Den Wissenschaftlern des dortigen Laboratoriums für Strukturbiologie gelang es erstmals, die räumliche Struktur eines Schlüsselmoleküls zu analysieren, auf das der Erreger bei seiner Vermehrung in der Wirtszelle angewiesen ist. Dabei handelt es sich um eine so genannte Protease, einen Eiweißstoff, der die Herstellung neuer Viruspartikel steuert.
Mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse, einem Verfahren, bei dem Virenpartikel kristallisiert, in eine starre Form gebracht und dann durchleuchtet werden, konnten die Forscher die räumliche Anordnung des Virusmoleküls genau studieren. Dabei entdeckten sie eine Schwachstelle, die sich für ein Mittel gegen den SARS-Erreger nutzen lässt: Das Virusprotein reagiert äußerst empfindlich auf Milieuveränderungen. Kommt es mit einer leicht sauren Umgebung in Kontakt, verändert das Molekül seine Form, es verliert gewissermaßen die Fasson und ist dann nicht mehr funktionsfähig. Damit bietet sich die Chance, einen Wirkstoff entwickeln, der sich den Effekt zu Nutze macht. Die Vermehrung des Virus ließe sich so blockieren, schreiben die Wissenschaftler.
Beim SARS-Virus rechnen Experten derzeit mit einer vergleichsweise hohen Todesrate von bis zu acht Prozent. Übertragen wird der Erreger durch Tröpfcheninfektion beim Husten und Niesen. Seine Aggressivität verdankt das Virus einem Wirtswechsel. Wie genetische Analysen nahe legen, ist es wahrscheinlich vom Tier auf den Menschen übergesprungen. Ein Vorgang, der in Regionen, wo Mensch und Tier dicht zusammengedrängt leben, gar nicht selten ist. Auch vom Grippevirus ist bekannt, dass es die Artenbarriere mühelos überwinden kann. Das war etwa bei der berüchtigten Hongkong-Grippe der Fall, die sich 1968 ähnlich rasch wie die SARS-Epidemie um den Globus ausbreitete und mindestens eine Million Menschen das Leben kostete.
Im Falle des SARS-Virus wird die Zahl der Opfer bislang auf etwa 10 000 geschätzt. In seinem neuen Wirt trifft das Virus auf ein völlig unvorbereitetes Immunsystem, das noch keine Antikörper gegen den Eindringling gebildet hat. Mit der Überrumpelungstaktik sichert sich das Virus seine Existenz, denn sein Dasein beruht auf "geborgtem Leben". Viren bestehen aus nicht mehr als ein paar Dutzend Genen, die nur die eigene Vermehrung im Sinn haben. Sie leisten sich nicht den Luxus einer eigenen Zelle, dem elementaren Organisationsmerkmal allen Lebens. Forscher nehmen an, dass sich Virusgene irgendwann im Laufe der Evolution verselbstständigt haben und zur parasitären "Lebens"-Weise übergegangen sind. Sie klinken sich in das Erbmolekül von Lebewesen ein und programmieren die Stoffwechselmaschinerie in den Zellen um.
Unter dem Diktat der fremden Erbsubstanz produzieren die befallenen Zellen Virusproteine, die sich dann zu immer neuen Erregern zusammenlagern. Diese verhängnisvolle Kettenreaktion könnte auf Grund der neuen Erkenntnisse unterbrochen werden, hoffen die Forscher.
Artikel erschienen am 28. Okt 2003
quelle: welt.de
Untersuchungen zeigen die Struktur eines wichtigen Virus-Enzyms - Leichte Änderungen des Säuregrads stoppen die Vermehrung
von Silvia von der Weiden
Peking - Seit Monaten hält die Furcht vor einem erneuten Ausbruch der gefährlichen Lungenkrankheit SARS die Welt in Atem. Betroffen wäre vor allem Ostasien, wo der ansteckende Erreger aus der Familie der Coronaviren seinen Ursprung hat. In China hat nun ein Forscherteam unter Leitung von Zihe Rao von der Tsinghua University in Peking einen Ansatzpunkt für ein Mittel gegen das SARS-Virus entdeckt, wie die Fachzeitschrift "PNAS" in ihrer heutigen Ausgabe berichtet. Den Wissenschaftlern des dortigen Laboratoriums für Strukturbiologie gelang es erstmals, die räumliche Struktur eines Schlüsselmoleküls zu analysieren, auf das der Erreger bei seiner Vermehrung in der Wirtszelle angewiesen ist. Dabei handelt es sich um eine so genannte Protease, einen Eiweißstoff, der die Herstellung neuer Viruspartikel steuert.
Mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse, einem Verfahren, bei dem Virenpartikel kristallisiert, in eine starre Form gebracht und dann durchleuchtet werden, konnten die Forscher die räumliche Anordnung des Virusmoleküls genau studieren. Dabei entdeckten sie eine Schwachstelle, die sich für ein Mittel gegen den SARS-Erreger nutzen lässt: Das Virusprotein reagiert äußerst empfindlich auf Milieuveränderungen. Kommt es mit einer leicht sauren Umgebung in Kontakt, verändert das Molekül seine Form, es verliert gewissermaßen die Fasson und ist dann nicht mehr funktionsfähig. Damit bietet sich die Chance, einen Wirkstoff entwickeln, der sich den Effekt zu Nutze macht. Die Vermehrung des Virus ließe sich so blockieren, schreiben die Wissenschaftler.
Beim SARS-Virus rechnen Experten derzeit mit einer vergleichsweise hohen Todesrate von bis zu acht Prozent. Übertragen wird der Erreger durch Tröpfcheninfektion beim Husten und Niesen. Seine Aggressivität verdankt das Virus einem Wirtswechsel. Wie genetische Analysen nahe legen, ist es wahrscheinlich vom Tier auf den Menschen übergesprungen. Ein Vorgang, der in Regionen, wo Mensch und Tier dicht zusammengedrängt leben, gar nicht selten ist. Auch vom Grippevirus ist bekannt, dass es die Artenbarriere mühelos überwinden kann. Das war etwa bei der berüchtigten Hongkong-Grippe der Fall, die sich 1968 ähnlich rasch wie die SARS-Epidemie um den Globus ausbreitete und mindestens eine Million Menschen das Leben kostete.
Im Falle des SARS-Virus wird die Zahl der Opfer bislang auf etwa 10 000 geschätzt. In seinem neuen Wirt trifft das Virus auf ein völlig unvorbereitetes Immunsystem, das noch keine Antikörper gegen den Eindringling gebildet hat. Mit der Überrumpelungstaktik sichert sich das Virus seine Existenz, denn sein Dasein beruht auf "geborgtem Leben". Viren bestehen aus nicht mehr als ein paar Dutzend Genen, die nur die eigene Vermehrung im Sinn haben. Sie leisten sich nicht den Luxus einer eigenen Zelle, dem elementaren Organisationsmerkmal allen Lebens. Forscher nehmen an, dass sich Virusgene irgendwann im Laufe der Evolution verselbstständigt haben und zur parasitären "Lebens"-Weise übergegangen sind. Sie klinken sich in das Erbmolekül von Lebewesen ein und programmieren die Stoffwechselmaschinerie in den Zellen um.
Unter dem Diktat der fremden Erbsubstanz produzieren die befallenen Zellen Virusproteine, die sich dann zu immer neuen Erregern zusammenlagern. Diese verhängnisvolle Kettenreaktion könnte auf Grund der neuen Erkenntnisse unterbrochen werden, hoffen die Forscher.
Artikel erschienen am 28. Okt 2003
quelle: welt.de